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Senioren OnLine. Projekt "Neue Angebotsformen"

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Bedürfnispyramide für Internet-Cafés

(Erstveröffentlichung: Forum Seniorenarbeit (Rubrik Medien),www.forum-seniorenarbeit.de)
Christian Carls, Diakonisches Werk im Rheinland
© Christina Gherman

Für die Heranführung älterer Menschen an die Nutzung des Internets hat sich die Beratung durch freiwillig tätige Seniorinnen und Senioren, die oft selbst erst im Alter den Umgang mit PC und Internet erlernt haben, in der Praxis bewährt. Allerdings: Langfristig wird das Basisangebot vieler Internet-Cafes – Schulung, Beratung und freies Surfen - zur Sicherung der Nachfrage allein nicht ausreichen. Dies gilt zum einen, weil die zunehmend spezialisierten technischen Fragen nachhaltig internetinteressierter älterer Menschen von ehrenamtlichen Tutorinnen und Tutoren selbst bei guter technischer Weiterbildung nur in abnehmendem Maße werden beantwortet werden können. Und zum anderen, weil Seniorinnen und Senioren, die – über das Internet-Café oder auf anderen Wegen – bleibendes Interesse an der Nutzung von PC und Internet gefunden haben, sich eigene Computer anschaffen und dann auf öffentliche Zugangsorte nicht mehr „angewiesen“ sind.

Die neuen PC-Besitzer könnten allerdings trotzdem gerne weiter in ihr Internet-Café kommen. Was bedarf es dazu? Internet-Cafes mit Zukunft werden Orte sein, die bei zunehmender Angebots- und Zielgruppendifferenzierung Menschen in unterschiedlichen Bedürfnisdimensionen ansprechen. Wer einen Internetanschluß zuhause hat, kann dort vielleicht „genauso gut surfen“. Vielleicht aber auch bietet das Internet-Café „Mehrwerte“, die am Computer zuhaus nicht zu haben sind. Welche könnten das sein?

Die „Maslowsche Bedürfnispyramide“: Modell über zentrale Lebensbedürfnisse in fünf Stufen.
							(von oben nach unten: Selbstverwirklichung, Wertschätzung, Zugehörigkeit, Sicherheit, körperliches Wohlbefinden)

Bei der Analyse und der Weiterentwicklung der Attraktivität von Internet-Cafés kann nach meinen Erfahrungen die „Maslowsche Bedürfnispyramide“ helfen. Dabei spielt es keine Rolle, wie stimmig Ihnen die Bedürfniseinteilung, die der Psychologe Maslow vor 70 Jahren entwickelt hat, letztlich erscheint. Als Leitfaden für die Analyse leistet sie in der Praxis gute Dienste. Wenn möglich, führen Sie die Analyse in einer Gruppe mit anderen MitarbeiterInnen und Gästen des Internet-Cafés durch. Dabei könnten zum Beispiel die folgenden Aspekte und Fragen näher betrachtet werden:

Physisches Wohlbefinden: ... zu dem eine gute Atmosphäre in Internet-Cafes beitragen kann.

Mögliche Fragen: Licht? Ruhe? Abwechslung (z.B. zwischen "Arbeitsplatz" und "Plauderecke")? Getränke? Saubere Tastaturen und Mäuse? Barrierefrei für Behinderte?

Sicherheit: Die sich schnelle wandelnde, fremde Technik und - inhaltlich - die zusätzliche "Informationsflut" über das Internet wirken vielfach verunsichernd. In Internet-Cafes könnte eine Kultur der bewusst begrenzten Techniknutzung entstehen, die sich an gemeinsamen Zielen und Bedürfnissen (und nicht an der Fülle der technischen Möglichkeiten) orientiert. Und sie können Interaktionsmöglichkeiten bieten, in denen Menschen Orientierung und Vergewisserungen finden.

Mögliche Fragen: Finden Diskussionen statt? Gibt es Umstände, die Austausch und Diskussion zwischen den Gästen/Teilnehmenden fördern oder hemmen?

Zugehörigkeit: Die Nutzung des Internets bietet neue Möglichkeiten für die Zugehörigkeit zu Gruppen auch bei hoher Mobilität oder - auf der anderen Seite - bei Erkrankung und Behinderung. Verpasste reale Treffen können in virtueller Kommunikation überbrückt werden. Voraussetzung in vielen Fällen: Ehrenamtliche "PC-Heimberatung", die sicherstellt, daß private Internet-Nutzung sich nicht in Technik-Frust auflöst.

Mögliche Fragen: Gibt es Strukturen der Zugehörigkeit, die über episodische Teilnahme hinausreichen? Gruppen mit einem Zusammengehörigkeitsgefühl der Mitglieder? Treffen sich die Mitarbeiter regelmäßig in der Gruppe? Entsteht eine gemeinsame Identität? Wird über Methoden und Ablauf im Internet-Café diskutiert?

Wertschätzung: Internet-Cafes können Orte sein, wo Erfahrungen und Kompetenzen der BesucherInnen gefragt sind.

Mögliche Fragen: gibt es einen einseitigen Leistungsdruck? Zum Beispiel: zählt nur das technische Wissen? Haben andere als PC-bezogene Fertigkeiten einen Stellenwert? Können soziale Kompetenzen eingebracht werden? Gibt es Interesse an den Biographien und Lebensumständen der Gäste – und der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter?

Selbstentfaltung: Internet-Cafes bieten vielfältige Möglichkeiten für Kreativität und Selbstentfaltung.

Mögliche Fragen: Gibt es einen Zuwachs an praktischer „Medienkompetenz“ (die mehr ist als Technikbeherrschung)? Gibt es produktive PC-Anwendungen im Internet-Café? Wird die Ausstattung / das Wissen für soziales Engagement verwendet? Gibt es selbstorganisierte Gruppen? Können alle Teilnehmenden Einfluss auf Inhalte und Themen nehmen?

 

Bearbeitung durch Michael Mruczek